Geschichtlicher Hintergrund
Schon immer war Fieber fĂŒr den Menschen etwas Besonderes: einerseits Bedrohung mit dem Tod, andererseits Möglichkeit zu neuer Gesundheit. Daher haben sich viele Kulturen mit Fiebertheorien beschĂ€ftigt, die oft religiösen oder philosophischen Hintergrund hatten. Wenn wir noch heute vom âFieberwahnâ eines Kranken sprechen, so drĂŒcken wir damit eine Urvorstellung aus, die schon in frĂŒhgeschichtlicher Zeit anzutreffen war. Religion, Magie und Medizin bildeten bei den frĂŒhen Völkern eine Einheit und im Fieber sah man das Wirken eines auĂermenschlichen Wesens, eines DĂ€monen, der gut oder böse sein konnte und der vom Menschen Besitz ergriffen hatte. So finden wir in den Schriften der alten Assyrer Beschwörungsformeln, mit denen die bösen Geister aus dem fiebernden Patienten ausgetrieben werden sollten.
Hippokrates fĂŒhrte die Idee der Kochung in die Medizingeschichte ein. In den Schriften des Hippokrates gilt Fieber als die höchste Steigerungsform der Kochung. Dabei ging Hippokrates vom Bild des gestörten SĂ€ftegleichgewichts im Körper aus: âDer Körper des Menschen hat in sich Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle ..., durch sie erleidet er Krankheit. Wirklich gesund ist er, wenn diese, sowohl der Wirkungskraft, als auch der Menge nach im richtigen MischungsverhĂ€ltnis stehen (Eukrasie).â Im Fieber ist der ganze Körper einer Durchkochung unterworfen, und seine gesamte OberflĂ€che wird zum Ausscheidungsorgan fĂŒr das Abgetrennte, das mit dem SchweiĂ ausgeschieden wird. Je nachdem welche Art von Dyskrasie vorliegt, wird sich auch der Kochungsverlauf gestalten. Aufgabe des Arztes ist es, das Fieber im rechten VerhĂ€ltnis zu den SĂ€ften zu bemessen. In dieser Schau wird der ganze Körper durch das Fieber so bearbeitet, dass er sich schĂ€dlicher Anteile z. B. des Eiters entledigen kann. Dadurch wird die ursprĂŒngliche Harmonie im Organismus wiederhergestellt. Im hippokratischen Bild stellt die ganze Welt (Makrokosmos) eine KĂŒche dar, und der Mensch (Mikrokosmos) hat diese KĂŒche ein zweites Mal im Kleinen in sich. Im Fieber sind demnach WeltenkrĂ€fte wirksam, die sich im Menschen individualisieren.
Paracelsus (1493 / 1541) spricht in seinem âArcheusâ einen Wesensbereich des Menschen an, der im Menschen die 4 Elemente (Wasser, Feuer, Luft und Erde) zu einem qualitativ neuen, zum fĂŒnften Element (quinta essentia) zusammenfasst. Der Mensch ist die Quintessenz der gesamten Schöpfung. FĂŒr Paracelsus ist das Fieber eine Co KG Löffelstelzer StraĂe 1-3 | D-97980 Bad Mergentheim | Tel: + 49-7931-536-0 | Fax: +49-7931-536-333 | e-mail: info@hufeland.com | www.hufeland.com Fiebertherapie 1. Geschichtlicher Hintergrund: Schon immer war Fieber fĂŒr den Menschen etwas Besonderes: einerseits Bedrohung mit dem Tod, andererseits Möglichkeit zu neuer Gesundheit. Daher haben sich viele Kulturen mit Fiebertheorien beschĂ€ftigt, die oft religiösen oder philosophischen Hintergrund hatten. Wenn wir noch heute vom âFieberwahnâ eines Kranken sprechen, so drĂŒcken wir damit eine Urvorstellung aus, die schon in frĂŒhgeschichtlicher Zeit anzutreffen war. Religion, Magie und Medizin bildeten bei den frĂŒhen Völkern eine Einheit und im Fieber sah man das Wirken eines auĂermenschlichen Wesens, eines DĂ€monen, der gut oder böse sein konnte und der vom Menschen Besitz ergriffen hatte. So finden wir in den Schriften der alten Assyrer Beschwörungsformeln, mit denen die bösen Geister aus dem fiebernden Patienten ausgetrieben werden sollten. Hippokrates fĂŒhrte die Idee der Kochung in die Medizingeschichte ein. In den Schriften des Hippokrates gilt Fieber als die höchste Steigerungsform der Kochung. Dabei ging Hippokrates vom Bild des gestörten SĂ€ftegleichgewichts im Körper aus: âDer Körper des Menschen hat in sich Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle ..., durch sie erleidet er Krankheit. Wirklich gesund ist er, wenn diese, sowohl der Wirkungskraft, als auch der Menge nach im richtigen MischungsverhĂ€ltnis stehen (Eukrasie).â Im Fieber ist der ganze Körper einer Durchkochung unterworfen, und seine gesamte OberflĂ€che wird zum Ausscheidungsorgan fĂŒr das Abgetrennte, das mit dem SchweiĂ ausgeschieden wird. Je nachdem welche Art von Dyskrasie vorliegt, wird sich auch der Kochungsverlauf gestalten. Aufgabe des Arztes ist es, das Fieber im rechten VerhĂ€ltnis zu den SĂ€ften zu bemessen. In dieser Schau wird der ganze Körper durch das Fieber so bearbeitet, dass er sich schĂ€dlicher Anteile z. B. des Eiters entledigen kann. Dadurch wird die ursprĂŒngliche Harmonie im Organismus wiederhergestellt. Im hippokratischen Bild stellt die ganze Welt (Makrokosmos) eine KĂŒche dar, und der Mensch (Mikrokosmos) hat diese KĂŒche ein zweites Mal im Kleinen in sich. Im Fieber sind demnach WeltenkrĂ€fte wirksam, die sich im Menschen individualisieren. Paracelsus (1493 / 1541) spricht in seinem âArcheusâ einen Wesensbereich des Menschen an, der im Menschen die 4 Elemente (Wasser, Feuer, Luft und Erde) zu einem qualitativ neuen, zum fĂŒnften Element (quinta essentia) zusammenfasst. Der Mensch ist die Quintessenz der gesamten Schöpfung. FĂŒr Paracelsus ist das Fieber eine reinigende Kraft, deren sich der Archeus bedient, um den Körper zu entschlacken.
In der Physiologie und Pathologie van Helmonts (1579 / 1644) wird Fieber nur als Abfallprodukt der ĂŒbernatĂŒrlichen KrĂ€fte des Archeus angesehen, wenn diese das Trennen und Abscheiden vollziehen. Ursache des Fiebers ist fĂŒr ihn der Kampf des Archeus gegen die feindliche Materie.
In der Folgezeit hielten die Naturwissenschaften ihren Einzug in das Denken der Ărzte und lösten damit die religiös und philosophisch geprĂ€gten Vorstellungen ab.
Christoph Wilhelm Hufeland (1762 / 1836) sieht im Fieber noch âeine erhöhete ThĂ€tigkeit des GefĂ€Ăsystems und beschleunigten Lebensprozess mit der damit unzertrennlich verbundenen vermehrten WĂ€rmeerzeugung im Organismus.â FĂŒr Hufeland ist das Fieber Ausdruck einer Naturkraft, die den Heilungsprozess einleiten soll. Boerhave, der das Fieberthermometer in die klinische Routine einfĂŒhrte, erkannte im Fieber ebenfalls eine heilsame Kraft. In seiner berĂŒhmten Vorlesung in Leyden sagte er: âIch wĂŒrde der gröĂte Arzt sein, wenn ich ebenso leicht Fieber hervorbringen wie vertreiben könnte.â
Die völlige Entmythologisierung des Fiebers vollzog sich dann im 19. Jahrhundert vor allem durch Virchow und Liebermeister, die der Temperaturerhöhung selbst die Schuld an vielen SchĂ€digungen und Störungen anlasteten. Mit der EinfĂŒhrung der SalicylsĂ€ure in die Klinik im Jahre 1875 durch Buss wurde schlieĂlich eine antipyretische Bewegung eingeleitet, die noch heute das Denken vieler Ărzte bestimmt. Sie gipfelte in den AusfĂŒhrungen Liebermeisters, der 1875 schrieb: âVon einer Heilwirkung des Fiebers oder ĂŒberhaupt von einer gĂŒnstigen Bedeutung desselben fĂŒr den Organismus ist höchstens noch insofern die Rede, als man solche Anschauungen als veraltete Vorurtheile einer unwissenschaftlichen Periode bezeichnet.â Eine positive Bedeutung des Fiebers fĂŒr den Organismus war damit auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr diskussionswĂŒrdig.(1) Diese durch die moderne Forschung lĂ€ngst widerlegte Auffassung hat sich leider bei vielen Ărzten bis heute erhalten.
Die AnfÀnge der Fiebertherapie
Schon immer beobachteten die Ărzte, dass selbst schwere Krankheiten durch Fieber gĂŒnstig beeinflusst wurden, so z. B. Asthma, Psychosen und sogar Krebs. J. Wagner von Jauregg stellte fest: âWenn ein Geisteskranker im ersten Halbjahr seiner Krankheit von einem Infekt (Bauchtyphus, Cholera, Wechselfieber, Rotlauf) befallen wird, so ist die Wahrscheinlichkeit eine sehr groĂe, dass er dadurch von seiner Psychose geheilt wird.â Er war einer der Pioniere der Fiebertherapie und erhielt im Jahre 1929 den Nobel-Preis fĂŒr Medizin fĂŒr die Malaria-Behandlung von Psychosen und Lues. Friedrich Fehleisen wagte es 1882 in WĂŒrzburg bei Krebskranken mit Erysipelkokken einen oftmals ĂŒber Wochen anhaltenden hochfieberhaften Infekt zu setzen.
1892 verwendete William B. Coley eine Mischung aus Streptococcus und B. prodigiosum, die er abtötete und als âColeys Toxinâ fĂŒr die Behandlung von Sarkomkranken mit z. T. erstaunlichem Erfolg einsetzte. In der Literatur finden sich ĂŒber 700 gut dokumentierte FĂ€lle, bei denen eine spontane RĂŒckbildung von Tumoren nach hochfieberhaften Infekten zu verzeichnen war.(2) In neuerer Zeit wurde die Fiebertherapie vor allem von Issels propagiert, der ĂŒber sorgfĂ€ltig dokumentierte Heilungen von inkurablen Krebskranken berichtet.
WĂ€hrend die Fieberbehandlung von Psychosen und Lues durch moderne Medikamente ĂŒberflĂŒssig geworden ist, konzentriert sich heute das Interesse fĂŒr die Fiebertherapie vor allem auf die Behandlung der Krebskrankheit. Gerade auf diesem Gebiet ist ein Meinungswandel eingetreten, nachdem die Euphorie, die durch die Entwicklung moderner Chemotherapeutika eingetreten war, der nĂŒchternen Erkenntnis weichen musste, dass die Heilungsraten fĂŒr die hĂ€ufigsten und wichtigsten Krebskrankheiten seit nunmehr 30 Jahren stagnieren und das trotz aller Fortschritte auf den Gebieten der Operations- und Strahlentechnik sowie der Chemotherapie.
Lange Zeit wurde die Rolle des Immunsystems bei der KrebsbekĂ€mpfung ignoriert; ja man sprach der körpereigenen Abwehr jedwede Bedeutung in dieser Hinsicht ab. Diese Meinung Ă€nderte sich jedoch in den letzten Jahren mit der Entwicklung der Gentechnologie, die es ermöglichte, definierte immunaktive Substanzen wie z. B. Interferone, Interleukin, TNF u. a. in ausreichender Menge fĂŒr klinische Versuche herzustellen. Alle diese Botenstoffe des Immunsystems zeigten bei ihrer klinischen Erprobung eine Gemeinsamkeit: Sie lösen Fieber aus. Damit gerĂ€t die alte Fiebertherapie wieder in den Blickpunkt neuerer Forschungen; so befasst sich u. a. eine Forschungsgruppe der UniversitĂ€t Freiburg (Prof. Engelhardt) im Auftrag des Bundesforschungsministeriums zur Zeit mit dieser lange Zeit verĂ€chtlich gemachten Therapieform.
Therapeutische Grundidee und Methode: Was verstehen wir unter aktiver Fiebertherapie?
Aktive Fiebertherapie bedeutet, dass die Körperkerntemperatur durch körpereigene Mechanismen angehoben wird. Dies geschieht durch die Gabe fiebererzeugender Substanzen (exogene Pyrogene), die diese VerĂ€nderungen im Organismus herbeifĂŒhren. In der heute etablierten aktiven Fiebertherapie sind diese exogenen Pyrogene meist Bestandteile von Bakterien wie z. B. Lipopolysaccharide. Beteiligt an der Fiebererzeugung sind vor allem das Temperaturregelzentrum, das sich im Hypothalamus unseres Gehirns befindet. Hier findet eine Sollwertverstellung der Temperatur nach oben statt; der Körper wird dadurch aufgefordert vermehrt WĂ€rme zu produzieren und er tut dies vor allem durch Muskelzittern (SchĂŒttelfrost), durch Erhöhung des Stoffwechsels und durch eine Aktivierung des Kreislaufs. Heute wissen wir auch, dass die exogenen Pyrogene in der Regel nicht selbst das Fieber erzeugen können, sondern dass es Botenstoffe des Immunsystems sind (endogene Pyrogene wie z. B. Interleukine), die durch die exogenen Pyrogene aktiviert und freigesetzt werden und nun ihrerseits ĂŒber den Hypothalamus die Temperaturerhöhung induzieren.
Diese aktive Fiebertherapie ist deshalb nicht gleichzusetzen mit einer passiven ĂberwĂ€rmung des Körpers von auĂen z. B. durch ĂberwĂ€rmungsbĂ€der oder andere aufwendigere Verfahren zur ĂberwĂ€rmung des Körpers, die heute in der Krebsheilkunde vielfach an groĂen Kliniken unter dem Namen âHyperthermiebehandlungâ eingefĂŒhrt sind.
Bei Temperaturen bis 38° C sprechen wir von subfebrilen Temperaturen; bis 39° C bezeichnen wir als mĂ€Ăiges Fieber und ab etwa 39° C sprechen wir von hohem Fieber. Ausgehend von den empirisch erzielten Erfolgen, die immer wieder nach spontanem Fieber berichtet wurden, versucht man heute kĂŒnstlich Fieber zu erzeugen und bedient sich dabei exogen zugefĂŒhrter, bakterieller Endotoxine nach Art des Coley-Toxins, gereinigter PrĂ€parate von Lipopolysaccharid A3 oder auch PrĂ€parationen von Corynebakt. parvum.
Ziel und Sinn einer solchen Fiebertherapie sind Aktivierung des Immunsystems und vegetative Umstimmung des Organismus. Gerade bei chronischen Krankheiten beobachten wir ĂŒberaus hĂ€ufig eine gestörte Reaktion auf bzw. Regulation nach verschiedenen biologischen Reizeinwirkungen. Gut untersucht ist z. B. die gestörte WĂ€rmeregulation beim chronisch Kranken (5,6) die interessanterweise in Beziehung steht zu einer gestörten Immunregulation. Durch thermische Messungen ist es daher möglich RĂŒckschlĂŒsse auf die Funktion des Abwehrsystems zu ziehen. Der Autor selbst stellt bei seinen onkologischen Patienten auch immer wieder fest, dass sie auf den durch die Injektion des Coley-Toxins gesetzten Reiz hĂ€ufig nicht adĂ€quat mit Temperaturanstieg und Leukozytose reagieren.
Mit Recht kann man daher annehmen, dass ein wesentliches Problem des chronisch Kranken seine gestörte vegetative Regulation ist, die es ihm nicht mehr erlaubt durch Reizeinwirkungen ausgelöste Störungen seines Organismus auszugleichen.
Möglicherweise liegt in diesem Problem auch der SchlĂŒssel fĂŒr die Krebskrankheit; denn was ist Krebs anderes als eine Störung der Regulation der Zelle, die nicht mehr in der Lage ist, freigelegte Onkogene abzuschalten, weil vermutlich die zelleigenen Repairsysteme versagen und andererseits deren Membran auf den AuĂenreiz des Zellnachbarn nicht mehr mit einer Wachstumshemmung reagiert?
Aber auch das Milieu, in dem eine Zelle lebt, ist entscheidend fĂŒr ihr weiteres Schicksal. So wissen wir heute, dass sich maligne Zellen experimentell in normale Körperzellen redifferenzieren lassen, wenn man eine MilieuĂ€nderung vornimmt (7). Man weiĂ z. B. auch, dass sich Eier von Wasserschildkröten abhĂ€ngig von der Umgebungstemperatur in mĂ€nnlich oder weiblich differenzieren. Das Milieu â in diesem Fall das Temperaturmilieu â bestimmt also auch hier die Differenzierung bzw. das Verhalten der Gene. Hypothetisch darf deshalb zur Diskussion gestellt werden, ob die MilieuverĂ€nderung, die wĂ€hrend des Fiebers stattfindet nicht auch eine redifferenzierende Wirkung auf maligne Zellen haben kann.
Erstes Ziel der Fiebertherapie ist es jedoch, die blockierte vegetative Regulation im Sinne einer umstimmenden Reizkörpertherapie wieder in Gang zu setzen, damit der kranke Organismus die Möglichkeit bekommt, sich selbst zu regulieren und damit Heilungsprozesse einzuleiten. Dass solche spontanen Heilungsprozesse selbst bei ausgedehnten Krebskrankheiten möglich sind, unser Organismus also durchaus ĂŒber die Potenz der Selbstheilung groĂer Tumoren verfĂŒgt, das wissen wir aus gut dokumentierten Kasuistiken zu denen auch der Autor beitragen kann.
Solange es nicht gelingt, diese Regulation zu normalisieren, sind biologische Therapieverfahren und auch die heute an unseren UniversitĂ€ten geĂŒbte Immuntherapie nur eingeschrĂ€nkt und meist auch nur vorĂŒbergehend erfolgreich. Da unser Immunsystem sehr viel besser zu untersuchen ist, als vegetative Regulationsmechanismen, liegen uns eine FĂŒlle von Arbeiten vor, die die positiven Wirkungen des Fiebers auf unser Immunsystem dokumentieren. Grob schematisiert kann man folgende Feststellungen bezĂŒglich der Immunmodulation durch die Fiebertherapie treffen:
Die bakteriellen Endotoxine bewirken das Fieber nur indirekt, indem sie auf Makrophagen einwirken und diese aktivieren. Aktivierte Makrophagen können nun verschiedene Botenstoffe des Immunsystems freisetzen und entfalten so eine sehr breite Wirkung sowohl auf das spezifische, als auch auf das unspezifische Immunsystem, dem in der KrebsbekĂ€mpfung eine gewichtigere Rolle zuerkannt werden muĂ, als dem spezifischen Immunsystem mit den T- und B- Lymphozyten. Diese freigesetzten Botenstoffe, insbesondere das Interleukin 1 und das Makrophagen-EntzĂŒndungsprotein 1 sind es, die auf den Hypothalamus einwirken und dort zu einer Sollwertverstellung im Temperaturregulationszentrum fĂŒhren. Dadurch kommt es in der Peripherie zu Muskelzittern bzw. SchĂŒttelfrost, Engstellung der GefĂ€Ăe und damit zur Erhöhung der Körperkerntemperatur.
Gleichzeitig wirkt Interleukin 1 auf das Komplement- und Properdinsystem, die unspezifische humorale Komponente unseres Immunsystems, wodurch es zur Zytolyse von Krebzellen kommen kann. Aber auch die zellulĂ€re Komponente mit den natĂŒrlichen Killerzellen, den Makro- und Mikrophagen, denen gerade in der Krebstherapie eine besondere Bedeutung zukommt, wird aktiviert. Ăber Interleukin 1 kommt es aber auch zu einer Aktivierung der T- und B-Lymphozyten. Es entstehen u. a. Plasmazellen, die Immunglobuline und Antikörper synthetisieren können und es wird nun auch Interleukin 2 freigesetzt, das seinerseits wichtige Immunreaktionen in Gang setzt (Produktion von LAK-Zellen und Interferon). Aktivierte Makrophagen entfalten ebenfalls tumorizide AktivitĂ€ten und sezernieren zytolytische Substanzen wie TNF, Proteasen oder H2O2.
Methode:
Nach Ausschluss von Kontraindikationen und sorgfĂ€ltiger Untersuchung des Patienten werden fiebererzeugende Substanzen direkt intravenös gespritzt. Meist kommt es nach ca. 45 bis 60 Minuten zu SchĂŒttelfrost und Temperaturanstieg unterschiedlichen Grades; Temperaturen bis 41,7° C wurden schon beim ersten FieberstoĂ erreicht, sind jedoch selten; in der Regel steigt die rektal gemessene Kerntempertur zwischen 39° C und 40° C an und fĂ€llt nach zwei bis drei Stunden langsam auf den Ausgangswert ab, kann aber bei manchen Patienten auch am nĂ€chsten Tag noch leicht erhöht sein. Symptomatisch können zusĂ€tzliche Medikamente gegen Ăbelkeit, Brechreiz oder Kopf- und Gliederschmerzen verabreicht werden, wobei wir allerdings darauf achten, dass diese Medikamente nicht antipyretisch wirksam sind. Die FieberstöĂe werden ein- bis dreimal pro Woche durchgefĂŒhrt. Insgesamt sollten in einer Serie 10 bis 15 FieberstöĂe verabreicht werden.
Spezifischer Charakter der Fiebertherapie, Abgrenzung zur reinen Immuntherapie und zur Hyperthermie
Ohne Zweifel ist Fieber eine der ontologisch Ă€ltesten Heilreaktionen des Organismus. Die erhöhte Körpertemperatur ist dabei offensichtlich nicht das entscheidende Kriterium, vielmehr sind es die Aktivierung des Immunsystems, die Wiederherstellung einer normalen Reaktionslage und eventuell auch die Ănderung des Körpermilieus. Daher ist die Fiebertherapie Regulations- und Immuntherapie zugleich und regt in hervorragender Weise die SelbstheilungskrĂ€fte des Körpers an. Im Gegensatz zu der heute ĂŒblichen Immuntherapie mit isolierten immunaktiven Substanzen â den so genannten BMF-Substanzen (biological response modifiers) wie TNF, Interleukinen oder Interferonen, die in unphysiologisch hohen Dosen verabreicht werden, induziert man bei der Fiebertherapie die Immunmechanismen auf physiologische Art und Weise. Das gesamte biologische System unseres Körpers wird nicht vergewaltigt, sondern auf natĂŒrliche Weise angeregt, so dass nicht nur das Immunsystem, sondern auch die ĂŒbergeordneten Regelkreise des Systems positiv einbezogen werden. Dies erklĂ€rt die Erfolge der Fiebertherapie gerade auch bei Krankheiten mit allergischer oder autoaggressiver Komponente.
Aber auch gegen die von Ardenne inaugurierte Hyperthermie in der BekĂ€mpfung der Krebskrankheit, die heute ebenfalls intensiv auf unseren UniversitĂ€ten beforscht wird, muss man die Fiebertherapie abgrenzen. Ziel der Hyperthermie ist die thermische SchĂ€digung der Tumorzelle. Durch die hohe Konvektion ist es sehr schwierig die erforderliche Temperatur von 42,5° C und mehr ĂŒber lĂ€ngere Zeit im Tumor zu erzeugen; in der Regel genĂŒgt auch dies nicht, vielmehr ist die Hyperthermie besser in Verbindung mit einer Strahlen- oder Chemotherapie wirksam. Durch die thermische SchĂ€digung soll die Tumorzelle lediglich fĂŒr die Folgebehandlungen â Chemo- und Radiotherapie â empfindlicher gemacht werden. Beide - Chemotherapie und Strahlentherapie - bewirken jedoch genau das Gegenteil dessen, was die Fiebertherapie zu erreichen sucht: Sie supprimieren das Immunsystem und blockieren die vegetative Regulation. Es ist andererseits auch bekannt, dass in der Initialphase der Hyperthermie â Ă€hnlich wie bei der aktiven Fiebertherapie â eher eine Immunsuppression auftritt, die erst spĂ€ter von einer moderaten Immunaktivierung gefolgt wird. In dieser Phase wirkt dann jedoch in der Regel bereits die immunsuppressive Folgetherapie, sofern die Hyperthermie mit einer Strahlenoder Chemotherapie kombiniert wird. Es ist demnach wichtig herauszustellen, dass aktive Fiebertherapie und passive Hyperthermie weder in ihren Zielsetzungen noch in ihren Auswirkungen miteinander vergleichbar sind.
FĂŒr die Wirkung der Hyperthermie ist allein die in einem umschriebenen Gewebsbezirk erreichbare Temperaturerhöhung ausschlaggebend; bei der Fiebertherapie dagegen ist nicht die Höhe des Fiebers entscheidend, sondern die durch die Fieberinduktion erreichbare Immunmodulation, die Ănderung des Körpermilieus und die Wiederherstellung einer normalen Reaktionslage.
FĂŒr die Wirkung der Hyperthermie ist allein die in einem umschriebenen Gewebsbezirk erreichbare Temperaturerhöhung ausschlaggebend; bei der Fiebertherapie dagegen ist nicht die Höhe des Fiebers entscheidend, sondern die durch die Fieberinduktion erreichbare Immunmodulation, die Ănderung des Körpermilieus und die Wiederherstellung einer normalen Reaktionslage.
Indikationen und Kontraindikationen fĂŒr eine aktive Fiebertherapie
Aus den bisherigen Darstellungen ergibt sich, dass eine aktive Heilfiebertherapie besonders bei Krankheiten indiziert ist, die mit einer SchwÀche oder Störung des Immunsystems einhergehen und die chronifiziert sind.
Indikationen:
onkologische Erkrankungen aller Art (auĂer akuten LeukĂ€mien)
Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis und Kollagenosen: primÀr chronische Polyarthritis M. Bechterew Polyneuritis Guillain-Barré
chronisch entzĂŒndliche ZustĂ€nde wie: Colitis ulcerosa M. Crohn, Chronische Bronchitis Chronisch rezidivierende Abszesse oder Pyodermien
allergische Erkrankungen wie Chronische Urticaria, Pollinosis, allergisch bedingte Ekzeme
Kontraindikationen:
akute mikrobielle Infektionen
Herz- und Kreislaufinsuffizienz â Zustand nach Herzinfarkt oder Lungenembolie â Herzrhythmusstörungen, Hypertonie
schwere LeberparenchymschÀden
Nebenniereninsuffizienz
hÀmorrhagische Diathese
Ulcus ventriculi sive duodeni
Schwangerschaft
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
HĂ€ufige Nebenwirkungen leichterer Art: Kopf-, RĂŒckenoder Gliederschmerzen, Ăbelkeit, Erbrechen, SchĂŒttelfrost, Durchfall, Kreislaufbeschwerden durch Hypotonie, Lippenund Akrozyanose.
Seltene, sofort behandlungsbedĂŒrftige Nebenwirkungen:
schwere kardiovaskulÀre Probleme, Thrombosen, Lungenembolie, allergische Reaktionen.
Erfolge und Wirksamkeitsnachweis
Die Fiebertherapie gehört zu den empirisch gefundenen Therapieformen. Schon immer hatten die Ărzte beobachtet, dass nach FieberanfĂ€llen schwerwiegende, oft als unheilbar angesehene Krankheiten zum Verschwinden kamen. So wird dem Griechen Parmenides (540 â 480 v. Chr.) sogar der Ausspruch zugeschrieben: âGebt mir die Macht Fieber zu erzeugen, und ich heile jede Krankheit.â In neuerer Zeit waren es Coley (10) und Issels (11), die systematisch die Fiebertherapie gerade bei Krebskranken mit gutem, manchmal sogar spektakulĂ€rem Erfolg anwendeten. Seit Anfang der 80er Jahre wurden mehrfach auch kontrollierte Studien zur Fiebertherapie vorgenommen, wobei unterschiedliche Endotoxine Verwendung fanden.
Als indirekter, epidemiologischer Wirksamkeitsnachweis können etliche epidemiologische Studien gelten, die fast ĂŒbereinstimmend zeigten, dass Patienten, die selten fieberhafte Infekte erleiden einem deutlich erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt sind. Man kann daher mit gutem Recht sagen, dass die Evidenz fĂŒr die Wirksamkeit der Fiebertherapie sehr eindrucksvoll ist und sich nicht nur auf dokumentierte Therapieerfolge, sondern auch auf klinische Beobachtungen, tierexperimentelle Studien und epidemiologische Befunde stĂŒtzt.
Die Aktivierung des Immunsystems nach einer Fiebertherapie ist auf verschiedene Weise direkt messbar. So lassen sich z. B. direkt die erhöhten Serumspiegel von Interleukin 1 und 2 messen, ebenso wie die Erhöhung von Leukozyten, B- und T-Lymphozyten, NK-Zellen und LAK-Zellen.
Vor der Aktivierung kommt es allerdings in der Initialphase zunĂ€chst zu einer Suppression, erkennbar an einem deutlichen Absinken der Leukozytenzahl in den ersten Stunden nach Injektion des Endotoxins. Es kann somit nicht bestritten werden, dass durch die Fiebertherapie eindeutige immunologische Effekte in vivo ausgelöst werden, die eine ErklĂ€rung fĂŒr die klinisch beobachteten Effekte darstellen.
Verbreitung der Fiebertherapie
Die Therapie mit aktivem Fieber ist besonders im deutschsprachigen Raum verbreitet. Sie wird in manchen spezialisierten Kliniken unter stationĂ€ren Bedingungen und ambulant von niedergelassenen Ărzten, ja sogar von manchen Heilpraktikern durchgefĂŒhrt. Aber auch in den USA z. B. im Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und in Japan wurde und wird die Fiebertherapie experimentell eingesetzt.
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Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf VollstÀndigkeit.